Patrick Rambaud. Die Schlacht
In einem Zeitalter, in dem so genannte lokale Kriege simultan zu hunderten den Globus überziehen, ist es jenseits des investigativen Journalismus eher unüblich, sich mit dem Sujet des Krieges vor allem in Romanform zu befassen. Der Franzose Patrick Rambaud hat sich Ende der neunziger Jahre an dieses Thema gewagt, mehr noch, er wählte eine Schlacht aus dem neunzehnten Jahrhundert, um einiges zu verdeutlichen, was bei der Fülle gegenwärtiger Kriege seltsamer Weise aus dem Blickfeld geraten ist. Im Jahre 2002 erschien sein historischer Roman „La Bataille“ erstmals in deutscher Übersetzung.
Der Roman befasst sich mit der Schlacht zwischen der französischen und der österreichischen Armee im Jahre 1809 vor den Toren Wiens, genauer gesagt bei Aspern und Eßling an der Donau. Handlung wie Dramaturgie sind einfach zu beschreiben. Ein abgehetzter, alternder wie erfolgverwöhnter Napoleon will die österreichischen Streitkräfte im Handstreich schlagen, erdenkt sich eine Finte, um einen Angriff der Österreicher, die das vor vier Jahren durch die Franzosen besiegte Wien zurück erobern wollten zu provozieren und sucht die Schlacht auf der Insel Lobau. Durch gezielte Aktionen gelingt es den Österreichern, die Versorgung, den Nachschub und frische Truppen für die französische Armee zu unterbrechen, was ihnen durch die Zerstörung der Pontonbrücken gelingt. Es entbrennt eine dreißigstündige Schlacht, in der 40.000 Soldaten getötet und 11.000 verwundet werden. Die erste große, verheerende Materialschlacht des Krieges der Neuzeit ging mit diesem Ereignis in die Annalen ein, ohne dass die in ihr schlummernden Kenntnisse geborgen wurden.
Ohne dieses Ereignis und seine Ausmaße sind die späteren Kriege in den Folgejahren und die anti-napoleonischen Befreiungskriege im Osten Europas wohl nicht denkbar. Und ohne letztere wären die Überlegungen eines Carl von Clausewitz in seiner revolutionären Schrift „Vom Kriege“ wohl nicht zu Papier gebracht worden. Wenn man Rambaud genau liest, sind die Spuren allerdings zu finden. Nicht, dass er es versäumte, mit der Perspektive eines Aufklärers unterschiedliche Wirkungen des Krieges auf die verschiedenen, an ihm beteiligten Stände genau zu beschreiben. Da sterben einfache Infanteristen, die zuvor noch stolz darauf waren, ein Paar Lederstiefel von einem toten Kameraden ergattert zu haben genauso wie Marschälle, die an der Seite Napoleons schon unzählige erfolgreiche Schlachten geschlagen haben und von Status und Vermögen nahezu überladen sind. Da fehlt es nicht an Vergewaltigungen, ebenfalls einem der Wesenszüge des Krieges, wie an der körperlichen und seelischen Verstümmelung und da kommt der Tod daher wie der einzige und rechtmäßige Wahrer der Gerechtigkeit.
Die eigentliche Schlüsselszene spielt sich in der Schlacht ab, da einem Soldaten durch eine Kanonenkugel der Kopf abgerissen wird, und aus seinem Halstuch Goldmünzen auf das Schlachtfeld rollen, die er in vielen Kämpfen gesammelt hatte. Als sie von anderen Soldaten aufgesammelt werden, stellen diese mit Enttäuschung fest, dass sie nichts mehr wert sind, weil auf ihnen die Gravur der Einheit der Nation und der Gleichheit ihrer Bürger zu lesen ist. Diese Münzen gelten in Frankreich nichts mehr, weil sie durch andere ersetzt wurden und diese Sentenz auf den neuen Geldstücken fehlt. Das Frankreich Napoleons im Jahre 1809 hatte seinen revolutionären Elan eingebüßt, es war zu einer statischen, imperialen Macht verkommen. Der Krieg, schrieb Clausewitz, ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Und die Politik, die diesem verheerenden Krieg vorausging, konnte an den Mitteln seiner Führung genau beschrieben werden.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.