Klassischer könnte die Situation nicht sein: Da hat ein Präsident, der für eine fundamentalistische Form der Politiksteuerung stand und auf allen Feldern mit seiner Politik eine Weltmacht in eine Systemkrise katapultiert hat zu einem radikalen Wechsel geführt. Der Träger der Hoffnung stand mit all seinen Attributen und Attitüden für eine neue Epoche, ging auch gleich ans Werk und nahm Sachen in Angriff, die vor der Ära seines Vorgängers undenkbar gewesen wären. Gleichzeitig befindet sich das Land in einer extremen wirtschaftlichen Krise, mit verursacht durch eine ans Hasard angelehnten Finanzpolitik, ebenfalls durch den Vorgänger zu verantworten.
Und dennoch wird der Nachfolger, der vieles verändern wollte und musste, angeklagt für die Unstetigkeiten und Krisenerscheinungen des Change Management. Natürlich kann man über die Maßnahmen des Change immer streiten, denn es stellt sich grundsätzlich die Frage, wo sind die Paradigmen, um die es geht und mit welchen Aktionen erzielt man die größte Wirkung. Dass allerdings der dürftige Allgemeinzustand der Gesellschaft dem in Rechnung gestellt wird, der ihn verbessern will, und zwar von denen, die ihn verursacht haben, geht entschieden zu weit.
Der Lobbyismus des politisch bereits für tot geglaubten George W. Bush entwickelt sich in einer Vitalität, die angesichts der verheerenden Ergebnisse der Ära Bush nicht für möglich gehalten wurde. Mit Gallionsfiguren wie Sarah Palin, der ehemaligen Gouverneurin von Alaska und einem Faible für den Revolver und Glen Beck, der von seiner konservativen Qualität an die düsteren Zeiten eines Gerhard Löwenthal erinnert, mobilisiert seit einiger Zeit die so genannte Tea Party Bewegung gegen Präsident Obama und seine Politik. Vor allem die Reform des Gesundheitswesens hat den amerikanischen Konservatismus anscheinend ins Mark getroffen, weil damit der Sozialdarwinismus seine letzte Domäne verloren hat und die Neudefinition des Gemeinwesens in Richtung Sozialstaat eingeleitet wurde.
Die gegenwärtigen Attacken gegen Ziele in den USA durch Sprengstoffcargo seitens Al Qaida muten in diesem Zusammenhang wie eine ironische Dramaturgie, hatte doch George W. Bush mit seiner völlig verfehlten Politik der der Allianz gegen den Terror Länder wie Saudi Arabien und Malaysia mit in die Arme geschlossen, die sich bereits als Financiers des fundamentalistischen Terrors längst etabliert hatten und somit innerhalb der muslimischen Welt und deren aufgeklärtem Teil für Verzweiflung gesorgt. Als leistete diese unheilige Allianz dem alten Präsidenten und seinen Verbündeten nun Schützenhilfe, verstärken sie die Angriffe auf das Amerika des reformwilligen Präsidenten, was wiederum zeigt, auf welchen Seiten der historischen Chronik diese selbst ernannten Rächer der Enterbten ihren Platz haben.
Bewusstes Change Management mobilisiert Ressentiments, mit deren Heftigkeit viele nicht gerechnet haben, auch die nicht, die den Wandel bewusst inszenierten. Entscheidend in Situationen wie jetzt vor den Kongresswahlen ist die Erkenntnis, dass ein Zurückweichen und Abmildern der eigenen Positionen aus der Impertinenz der Gegner heraus als Zeichen der Schwäche gewertet und behandelt wird und nur eine größere Entschlossenheit die Aussicht auf Erfolg erhöht.
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