Volksaufstände im Maghreb, Revolte in Ägypten. Eine Entwicklung, die absehbar war, wenn bestimmte Kenntnisse über die Dynamik von Schwellenländern vorliegen. In Algerien, in Tunesien und noch mehr in Ägypten hat eine Entwicklung ihren Preis gefordert, die sich ableitet aus einer schleichenden Modernisierung von Gesellschaften. Auf der einen Seite die Herausbildung eines Mittelstandes, der aus einer intensivierten Bildung seine ökonomische Stellung ableitet und gleichzeitig eine wachsende politische Partizipation fordert, gepaart mit dem Zugang zu den modernen Kommunikationsmitteln, die globalen Informationszugang ermöglichen, auf der anderen Seite eine sozial still stehende, in Armut versinkende Majorität und autoritär diktatorische Regimes, die keine Kritik zulassen.
Die Politik des Westens unter Führung der USA bestand vor allem im Falle Ägyptens darin, das Stabilisierende der Herrschaft Hosni Mubaraks zu belohnen, um das Fortschreiten einer gefährdenden Islamisierung zu verhindern. Die Regenten Ägyptens von Sadat bis Mubarak bildeten eine stabilisierende Garantie in dem anti-zionistischen Pulvergemenge der arabischen Welt. Nun, da die Volksmassen gegen die Armut wie die Rechtlosigkeit revoltieren, stellt sich die Frage nach einer neuen Form der Kooperation, die allerdings sehr von der Qualität der Nachfolgeregierungen abhängen wird.
Die Bundesrepublik hat sowohl im Falle Ägyptens als auch Tunesiens im Windschatten der USA gehandelt und ihrerseits mit Handelbeziehungen wie mit großzügigen Entwicklungsprojekten ihre Zustimmung zu den nun in die Kritik geratenen Verhältnissen gegeben. Insofern ist es völlig unangebracht, von derzeitigen Problemen der US-Außenpolitik zu sprechen, als teile man sie nicht selber. Die genaue Beobachtung der aktuellen Vorgehensweise dokumentiert die eigene Ratlosigkeit, die noch verschärft wird durch die von der Kanzlerin vorgetragenen Aufforderungen, den Dialog zu pflegen. Die belehrenden Ausführungen des Außenministers hingegen sind dazu geeignet, sämtliche Türen zuzuschlagen.
Insgesamt muss deutlich sein, dass die patriarchalisch sozialisierte arabische Welt nur dann Partnerschaften zugänglich ist, wenn sie basiert auf eigener Autorität und Macht sowie auf dem Respekt gegenüber den Verhandlungspartnern. Liegt letzterer nicht vor, ist ein Diskurs unmöglich. Dieses Wissen gehört zum Einmaleins internationaler Diplomatie, und auch wenn die Bush-Administration dieser Dimension der Kompetenz verlustig war, ist sie dennoch eine Bedingung, die einer außenpolitischen Rolle im arabischen Raum entspricht. Diesen Fehler macht der jetzige Präsident Barack Obama nicht. Vormaligen Kanzlern und Außenpolitikern der Bundesrepublik konnte man immer wieder diese Kompetenz attestieren. Das begann bei der besonderen Beziehung von Helmut Schmidt zu Anwar as-Sadat, ging über die Urgesteine Kohl und Genscher und endete mit dem Ansehen eines Außenminister Steinmeiers in der arabischen Welt. Mit dem jetzigen Ensemble wird die Bundesrepublik keine Rolle spielen.
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