Hört man sich den politischen Diskurs in diesen Tagen an, dann könnte man meinen, das Vertrauen in die Handelnden außerhalb des eigenen Bezugssystems tendiere gegen Null. Der Streit der Meinungen dreht sich ausschließlich um die einzusetzenden Instrumente, vermittels derer die Intervention in die gesellschaftlichen Verhaltensfelder gestaltet wird. Ein Vertrauen in die selbständig Handelnden und ein Verständnis über das Wesen gesellschaftlicher Lernprozesse scheint nicht vorzuliegen.
Es wäre ein wenn auch gerne gemachter Fehler, die beobachtete Denkweise der Politik als Unikat zuzuweisen. Auch in Unternehmen, Gewerkschaften, Verbänden und Vereinen haben wir es mit einer Degression der Freiheit zu tun. Unter der allgemeinen Klage der erodierenden Bildung und des Werteverfalls werden genau die Prozesse liquidiert, aus denen Wissen, Fertigkeiten und Ethik erwachsen. Das Handeln des selbstbestimmten Individuums ist immer noch Grundlage von Lernprozessen und den daraus erwachsenden Befähigungen.
Die Hegemonie der instrumentellen Vernunft, der Glaube, soziale, gesellschaftliche und politische Problemlagen durch den Einsatz bestimmter Instrumente oder Regelungen lösen zu können, hat sich gespeist aus der Furcht vor der tiefen menschlichen Erkenntnis und, so bringt es das Schicksal des enthüllenden Einblicks mit sich, dem daraus resultierenden Konflikt. Disput, Auseinandersetzung und Kampf sind Formen einer Inkongruenz von Interessen, deren Wesen man erst zu begreifen lernt, wenn einem die Freiheit gegeben ist, ein Handeln, das man für richtig hält, auszuprobieren. Das Scheitern aufgrund eigener Fehlannahmen oder Verhaltensweisen sowie einer nicht zu durchbrechenden Machtstruktur verursacht einen Lernprozess, der an Nachhaltigkeit nicht zu überbieten ist. Die große Kunst politischen Handelns ist das Maß zwischen Freiraum und Intervention zu finden.
Bei der Betrachtung vor allem der politischen Steuerung dieses Landes sticht ins Auge, dass nichts so gefürchtet zu sein scheint, wie das selbständige Handeln und Lernen der Bürgerinnen und Bürger. Selbst wenn wir keine Absicht unterstellten, was sowieso zu nichts führt, so scheint zumindest eine instinktive Angst vor der eigenen Existenzbedrohung die politisch Handelnden dazu zu treiben, den Prozess der Entmündigung der Bürgerschaft immer aggressiver und gnadenloser vorwärts zu treiben. Denn Handlungsunfähige bedürfen der Hilfe, und das Dasein der Ritter der Erlösung ist auf immer gesichert.
Angesichts der Angriffe auf die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerschaft erscheinen die Partizipationsangebote an bestimmte partikulare Gruppen des neuen Mittelstandes als ein ziemlich abgeschmacktes Manöver, das nur so lange fruchtet, wie die Enthüllung im Verborgenen liegt, dass es sich bei Vielen dieser Provenienz um befremdend egoistische Subjekte handelt.
Wie weit die Degression des freien Willens fortgeschritten ist, bemisst sich an dem Zeitraum, wie lange es dauert, bis die Entmündeten den Befriedungskontrakt auflösen. Und je entmündeter, desto grausamer wird das Erwachen.
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