In relativ kurzer Zeit gab es zwei Zwischenfälle zwischen der Türkei und Russland. In beiden Fällen handelt es sich um vermeintliche Verletzungen des türkischen Luftraums durch russische Bomber, die auf Ziele auf syrischem Territorium ausgerichtet waren. Letzteres geschieht im Einvernehmen mit der gegenwärtigen syrischen Regierung. Die Verletzungen des türkischen Luftraums bei diesen Einsätzen soll im ersten Fall, der den Abschuss des russischen Fliegers zur Folge hatte, 17 Sekunden betragen haben. Erwiesen ist dies nicht. Die russische Reaktion war heftig. Neben einem Einfuhrverbot von türkischen Waren nach Russland und dem Exportverbot russischer Produkte in die Türkei wurden auch alle Urlaubsflüge aus Russland in die Türkei gestoppt. Dabei handelt es sich um einen empfindlichen Schlag für die türkische Wirtschaft. Bei dem jetzigen Zwischenfall soll es sich laut türkischer Regierungskreise ebenfalls um eine Verletzung des türkischen Luftraumes um wenige Sekunden gehandelt haben. Dennoch fordert der türkische Ministerpräsident Erdogan ein sofortiges Treffen mit dem russischen Staatspräsidenten Putin.
Völkerrecht bleibt Völkerrecht. Das sollte die Maxime in internationalen Beziehungen sein. Dem ist jedoch seit einiger Zeit nicht mehr so. Der griechische Ministerpräsident Tsirpas berichtete, dass der griechische Luftraum in den letzten Monaten mehr als tausendmal durch türkische Militärflugzeuge verletzt worden sei. Und auch der syrische Luftraum wird durch die Türkei permanent bei Anflügen auf kurdische Ziele verletzt. Eine Berichterstattung ist dieser Umstand nicht wert. Hinsichtlich der vermeintlichen wie ohne aggressive Absichten gegen die Türkei verursachten Luftraumverletzungen durch russische Jagdbomber mahnte NATO-Generalsekretär Stoltenberg die russische Regierung, die Situation nicht zu eskalieren und drohte mit den Bündnisverpflichtungen der NATO. Konkret heißt das, wenn Russland in einen heißen Konflikt mit der Türkei käme, trete der NATO-Bündnisfall ein. Und das hieße, auch die Bundesrepublik Deutschland befände sich im Handumdrehen in einem militärischen Konflikt mit Russland.
Die nahezu hemmungslose Politik des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan wird gegenwärtig ausdrücklich von den USA gedeckt. Die ihrerseits sind an einer weiteren Destabilisierung Syriens mit dem Ziel eines Regimewechsels interessiert. Dabei spielt die Türkei eine wichtige Rolle. Die deutsche Regierung wiederum hat Erdogan nahezu volle Absolution beim militärischen Vorgehen gegen die kurdische Zivilbevölkerung erteilt, solange die Türkei bei ihren Zusagen bleibt, die Flüchtlingswege aus Syrien nach Europa zu blockieren. Das macht sie teilweise mit Erfolg, der so aussieht, dass die Flüchtlinge keines ihrer Ziele mehr lebend erreichen. Hinzu kommen Kredite an die Türkei. Die erste Tranche, die drei Milliarden Euro beträgt, soll nach Wünschen der türkischen Regierung auf fünf Milliarden erhöht werden. Dieser Nexus zwischen Syrienpolitik und Flüchtlingsvermeidung versetzt die Bundesregierung, ihrerseits auf die NATO verpflichtet, in eine Situation, die mit Erpressbarkeit sehr treffend beschrieben werden kann.
So, als böte die jüngere Geschichte nichts, aus dem gelernt werden könnte, wird das eine Übel mit dem nächsten bekämpft. Indem die eine Fluchtursache beseitigt werden soll, wird eine neue produziert. Es erfordert keine prognostische Fähigkeiten, um vorherzusagen, dass demnächst kurdische Flüchtlinge aus der Türkei nach Zentraleuropa drängen und darüber gestritten wird, ob die Türkei ein Land ist, in dem politische Verfolgung stattfindet. Man kann sich letzteres sparen und sich die Bilder aus der Millionenstadt Dyarbakir ansehen, in dem türkische Verbände aus der Luft ganze Stadtviertel in Schutt und Asche legen. Und so ganz nebenbei, im Hintergrund, wird massiv an einem heißen Konflikt mit Russland gearbeitet. Rosige Zeiten für Kriegstreiber und schlechte Zeiten für alle, die ihre Bündnisse nicht überprüfen.
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