Unzurechnungsfähigkeit aus Größenwahn

Es ist nicht ganz sicher, auf wen das Zitat zurückzuführen ist. Letztendlich ist es auch egal. Auf jeden Fall dokumentiert es eine gewisse soziale Größe und das, was andernorts auch Staatsräson genannt wird. Zuerst, so heißt es dort, kommt das Land, dann die Partei und erst dann die Person. Was bei einer Reflexion von Rolle und Funktion des Gemeinwesens als eine Selbstverständlichkeit erscheint, ist in diesen Tagen nicht selbstverständlich. Und was, so die andere Wahrheit, ständig wiederholt wird, ist nicht das Gebot der Stunde, sondern der akute Mangel des Augenblicks.

Dass momentan vor allem Die GRÜNEN und die Kanzlerin dieses Zitat bemühen, gehört wohl zu dem Geckenhaften, das die Geschichte immer wieder in das Leben wirft. Die beiden Spitzenkandidaten der Öko-Partei jedenfalls vermitteln genau das Bild, das man den Vertreterinnen und Vertretern dieser Partei lange Zeit nicht zugetraut hatte: die hemmungslose Gier nach Amt und Budget. Vor allem das Erfurter Domspätzchen mit dem geschichtsträchtigen Namen bettelt regelrecht um ein Ministeramt. Und der Kandidat aus dem Ländle  verleugnet mittlerweile sein Immigrantentum und schwäbelt, dass einem die Ohren schmerzen, um sich als amtstauglich aufzudrängen.

Das Erwähnte ist die übliche Schmonzette, mit der jedoch die groben Verstöße einhergehen. Denn das Zitat von der Dominanz des Landes aus dem Munde der Kanzlerin ist – und dort muss man ihr tatsächlich eine hohe Kompetenz bescheinigen – ein typisches ideologisches Manöver, um die Realität auf den Kopf zu stellen. Frau Merkel geht es darum, dass sie mit einer satten Mehrheit genauso arrogant weiter- und durchregieren kann wie bisher. Das wäre richtig knorke, wenn sie ihre Kamikaze-Politik gegenüber Russland, Syrien und Saudi-Arabien so fortsetzen könnte wie bisher, wenn sie ihre wirtschaftsliberalistischen Ungeheuer weiter auf die europäischen Märkte losließe und wenn sie weiter so mit den systemrelevanten Wirtschaftsriesen die Zukunft verschlafen könnte.

Eskortiert wird die Weigerung, sich auf eine Minderheitsregierung einzulassen, die sich natürlich für jedes Gesetz eine Mehrheit erwerben müsste, mit dem Hinweis der ehemaligen Pfälzer Weinkönigin Julia, Deutschland sei doch nicht Dänemark. Das ist doch mal eine Ansage. Und zwar eine solche Ansage, wie sie nur nach zu vielen aufeinanderfolgenden großen Koalitionen zustande kommen kann. Eine progressive Unzurechnungsfähigkeit aufgrund von Größenwahn.

Man stelle sich eine Regierung aus CDU/CSU und GRÜNEN vor, die sich auf die Sozialdemokratie mit stützen müsste. Wo bitte schön, wäre da kein Konsens hinsichtlich der großen Linien, der eine reibungslose Regierungsführung ausschlösse? Aus dem bräsigen, langsamen und entscheidungsarmen Alltag der Vergangenheit entstand die Distanz zum Volk, die momentan so gerne als Krise des demokratischen Systems bezeichnet wird. Wie wäre es denn, den einfachen Schluss zu ziehen, dass die Krise das Ergebnis der Politik ist, die hinter uns liegt. Und da stünde die Partei am Pranger, die momentan mit großer Virtuosität und mit der Hilfe eines kastrierten Journalismus den Spieß einfach umdreht?

Erst war es die FDP, nun ist es die SPD, die sich beide der staatspolitischen Verantwortung entzogen, weil sie sich weigerten, in einem Kabinett Merkel mitzuregieren. Frau Merkel und die staatspolitische Verantwortung zum Synonym zu machen, ist sehr verwegen, scheint aber bis dato zu funktionieren. Es ist abzuwarten, ob und wann der Schwindel auffliegt.

2 Gedanken zu „Unzurechnungsfähigkeit aus Größenwahn

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