Alles russische Propaganda?

Eines muss man den hiesigen Verhältnissen lassen: Türen und Tore zu Komik und Satire sind weit aufgestoßen. Ob diese Korridore genutzt werden, steht noch dahin. Angefangen hat es bereits vor langer Zeit, aber die Zeiträume, die mit Geduld zu überbrücken sind, bis der nächste abstruse Unsinn das Zusammenspiel von Regierung und Claque-Medien allen vor Augen führt, werden bedenklich kurz.

War das tatsächlich verifizierbare Zitat der grünen Außenministerin dazu genutzt worden, seine Verbreitung als das Werk russischer Propaganda zu entlarven, so toppte wenige Tage später der Bundeswirtschaftsminister aus der gleichen politischen Formation in einem öffentlichen Auftritt den Grad des Entsetzens mit seinen, eigentlich bedauernswerten Trunkenbolden zugeschriebenen, Ausführungen über Insolvenz und Energie-Sparbeiträge durch unterlassene Produktion – oder, was immer er auch meinte: es war deutlich, dass er es selbst nicht verstand, also, warum sollten es andere dann verstehen? 

Und schon kursierte dieser Beitrag im Netz, und, wartet ab, ihr Gutgläubigen und von einer realitätsorientierten Vergangenheit Verwöhnten, es wird nicht lange dauern, dass die Verbreitung der ministeriellen Verwirrung in den Leitmedien als Akt russischer Propaganda verifiziert wird.

Nicht genug, dass da einerseits auf das Wahlvolk gepfiffen und andererseits der Niedergang des Unternehmertums als wirtschaftlicher Erfolg gefeiert wird, heute dann tönte eine Bundestagspräsidentin im Ton des tiefen Mitgefühls, dass Deutschland dem Verstorbenen Michail Gorbatschow viel zu verdanken habe. Sie steht mit dieser Personifizierung der jüngsten Zeitgeschichte nicht allein, denn überall ist zu lesen, dass ein einzelner Mann Geschichte machen könne. Ohne den im Westen wie ein Popstar Gefeierten, dem letzten Präsidenten der untergegangenen Sowjetunion, wäre vieles aus deutscher Sicht tatsächlich nicht möglich gewesen. Und dieses auch nicht, ohne ihn mit Zusagen über die Nicht-Ost-Erweiterung der NATO nicht gewaltig hinters Licht geführt zu haben. Denn diese Zusage war es, dass hunderttausende russische Soldaten die ehemalige DDR verlassen hatten. Aber, und diese Frage nur hinzugefügt für Politik-Interessierte, die sich ein wenig mit Geschichte befassen: Wäre die deutsche Wiedervereinigung ohne die Entspannungspolitik Willy Brandts denkbar gewesen? Dass selbst die SPD-Führung da ruhig in den Bänken sitzen bleibt und einem weiteren Akt der kollektiven Amnesie Beifall spendet, zeigt, was alles geschehen müsste, um den Verstand zurück in die Politik zu bringen.

Und auch das, meine Damen und Herren, kann als Beitrag schnell zu russischer Propaganda mutieren. Ist der Boden erst einmal geebnet, sprießen die Gurken, dass es eine Wonne ist. Wer allerdings in diesem Verwirrspiel noch glaubt, mit den sich täglich überbietenden Abstrusitäten ein desolates, irres und massenfeindliches Handeln als Signet vernünftiger Politik zu retten, hat, wie es in Kreisen der Ballistiker so schön heißt, den Schuss nicht gehört. Dann macht es, ohne einen Laut, plötzlich Batsch und da liegt das Ziel mit einem sauberen Blattschuss im Feld und regt sich nicht mehr. 

Es bedarf, bei der gegenwärtigen geistigen Situation, keiner großen Bosheit, um zu dem Schluss zu kommen, dass eigene Aussagen, einmal einem größeren Publikum zugänglich gemacht, dazu dienen könnten, dem Feind zum Vorteil zu gereichen, irgend etwas faul sein muss. Und zwar nicht in Dänemark, sondern hier, mitten in dem Land, in dem, wie ein Wahlslogan aus früheren, aber nicht allzu weit zurückliegenden Tagen es beschrieb, wir gut und gerne leben möchten. 

Und wieder grinst die Satire mit ihrer dreckigen Fratze dreist um die Ecke!

3 Gedanken zu „Alles russische Propaganda?

  1. Pingback: Alles russische Propaganda? | per5pektivenwechsel

  2. Alice Wunder

    Früher war nicht alles besser. Einem Helmut Kohl etwa hätte man Erinnerungslücken unbesehen geglaubt.
    Und die Hysteriker haben ja recht: Eine freie Öffentlichkeit produziert Hysterischen Unsinn, den noch der dümmste Praktikant zu Feindpropaganda umschnippeln könnte, während die feindliche Propagandaabteilung, laut unserer Aufklärung, angeblich mit gut bezahlten und ausgebildeten Fachkräften besetzt ist. Schon bißchen beunruhigend, wie da die Sprünge im Krug vor sich hin knacken…

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.