„Im Westen nichts Neues“

Bob Woodward, Robert Costa. Gefahr. Die Amerikanische Demokratie in der Krise

Bob Woodward ist ein journalistisches Schwergewicht. Er hatte 1973 zusammen mit Carl Bernstein maßgeblich über die Watergate-Affäre berichtet, die zum Fall von Präsident Nixon führte und war federführend an dem Bild beteiligt, das in der Öffentlichkeit über die Anschläge auf das Word Trade Center am 11. September 2001 entstand. Als Leitender Redakteur der Washington Post hat er nach wie vor eine gewichtige Stimme in den USA. Mit einem solchen Background sind die Erwartungen definiert, wenn ein neues Buch erscheint. Zumal eines, das sich mit den schwierigen politischen Verhältnissen in den USA der Gegenwart befasst. Zusammen mit dem Reporter Robert Costa veröffentlichte Woodward ein voluminöses Buch mit dem Titel: Gefahr. Die Amerikanische Demokratie in der Krise. 

Das Buch erschien bereits 2021 in den USA und war unter dem Eindruck des Sturms auf das Capitol am 6. Januar durch Anhänger des abgewählten Präsidenten Trump entstanden. Der Vorgang war einmalig in der US-Geschichte und hatte große Teile der Öffentlichkeit in einen regelrechten Schockzustand versetzt. Präsident Trump, subjektiv bis heute überzeugt, dass ihm die Wiederwahl durch einen Betrug gestohlen wurde, hatte die vor dem Weißen Haus versammelte Menge aufgestachelt und zum Marsch auf das Capitol, wo die Wahl Joseph Bidens bestätigt werden sollte, ermutigt. Als dort die Lage eskalierte, hielt sich Trump lange zurück und weigerte sich, die Situation zu deeskalieren.

Das vorliegende Buch, welches sich nach Angabe der Autoren auf hunderte von Interviews mit quellengeschützten Partnern stützt, weist einige Aspekte auf, die von großem Nutzen sind. Da ist zum einen die – nicht neue – Erkenntnis, dass der ehemalige Präsident Donald Trump unter einer narzisstischen Störung leidet, die ihm die Zurechnungsfähigkeit in der für das Präsidentenamt erforderlichen Weise raubt. Zum anderen wird deutlich, wie es zur Kandidatur von Joe Biden kam und welche Faktoren dazu führten, ihn in der Partei der Demokraten zu favorisieren und welche politischen Allianzen ihm dabei halfen. 

Des Weiteren ist gut dokumentiert, wie Biden nach seinem Amtsantritt das voluminöse Paket zur Bekämpfung der Corona-Pandemie konzipierte und durchsetzte und welche Motive dazu führten, den Abzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan zügig voranzutreiben und zu vollziehen. Besonders letzteres ist insofern beeindruckend, weil eine kühle Kosten-Nutzen-Rechnung angestellt wurde und der ursprüngliche Zweck des Eisatzes noch einmal von Biden unterstrichen und Vollzug gemeldet wurde.

Bei der Lektüre wird immer wieder deutlich, dass die Autoren den Demokraten Biden politisch unterstützen und ihn als den Retter einer verfahrenen Situation darstellen wollen. Im Gegensatz zu der erratischen Amtsführung Trumps mag das in einzelnen Punkten stimmen, hinsichtlich des Buchtitels greift die Erzählung jedoch zu kurz. 

Eine Analyse des amerikanischen politischen Systems, das sich aufgrund einer Jahrzehnte währenden Außen- und Weltpolitik wie einer Vorstellung von Wirtschaft tatsächlich in einer tiefen Krise befindet, findet nicht statt. Indem die Autoren sich damit begnügen, das Krisenhafte als eine Frage zweier Persönlichkeiten darzustellen, blockieren sie Schlüsse, die weitergehen. Wollte man böse sein, könnte man dem Buch auch den Untertitel geben: „Im Westen nichts Neues“. 

  • Herausgeber  :  Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG; 1. Edition (24. Januar 2022)
  • Sprache  :  Deutsch
  • Gebundene Ausgabe  :  560 Seiten
  • ISBN-10  :  3446273298
  • ISBN-13  :  978-3446273290
  • Originaltitel  :  Peril

2 Gedanken zu „„Im Westen nichts Neues“

  1. Lopadistory

    Seltsam- Trump wird eine narzistische Störung attestiert, welche ihm die Fähigkeit zur Präsidentschaft abspricht, aber gegenwärtig dürfen Menschen mit derselben Störung, versuchen die Welt zu regieren.

  2. Pingback: „Im Westen nichts Neues“ | per5pektivenwechsel

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