Agenda 23

Manchmal ist der Zufall ein phantastischer Regisseur. Beim Aufräumen fiel mir ein Notizzettel in die Hände, auf dem die unten stehenden Anmerkungen unter der irreführenden Überschrift Agenda 23 standen. Autor unbekannt, Lektüre empfohlen. Lesen Sie selbst:

„Bräsige Misanthropen, die immer schon wussten, dass alles schief geht. Benebelte Positivisten, die glauben, dass alles, was ist, auch der Vernunft entspricht. Tugendhafte Moralisten, die exakt die Verhaltensweisen anderer beschreiben können, wie sie zu sein haben, aber selbst nicht in der Lage sind, Menschen, die sie bedienen, mit einem Lächeln zu bezahlen. Sorgenfreie Zeitkritiker, die, immer chique und en vogue, dem Mob seine Verwerflichkeit aufzeigen, weil er ihren Lebensstil weder will noch bezahlen kann. Gebrochene Romantiker, die ihre verloren gegangene Welt wiederherstellen wollen, aber selbst nicht mehr an das Gelingen glauben.

Desillusionierte Pazifisten, die ihre Machtlosigkeit begriffen haben. Waffengeile Bellizisten, die einen kurzen Sommer erleben, bevor sie bis ans Ende ihrer Tage unter kollektiver Ächtung zu leiden haben werden. Schmierlappen, die Morgenluft wittern, weil der Markt für Denunziation und Verrat großen Raum einnimmt. Ängstliche Schafe, die jedes Horrorszenario für bare Münze nehmen und sich von bösen Geistern sagen lassen, wie sie sich zu verhalten haben. Luzide Geister, die in ihren Türmen sitzen und in Dauerschleife den Gefangenenchor singen. Schlechte Künstler, Advokaten, Leibärzte und Huren, die die Geschichten ihrer rülpsenden Herren in die Welt posaunen.

Gestrandete Weltenbummler, die immer am selben Kiosk stehen und sich von Dosenbier ernähren. Hirten, die ihre Schafe suchen und nicht mehr finden. Pharmazeuten, die ihre besten Kunden sind. Immigranten, die nicht begreifen, dass sie nicht das finden, was sie suchten. Entertainer, die sich Philosophen nennen. Wissenschaftler, die für die Regierung Inserate schalten. Ein Volk, dem abgesprochen wird, dass es eines ist. 

Abgeordnete, die ihren Auftrag nicht mehr kennen. Börsenmakler, die aus der Glaskugel lesen. Korrespondenten, die die Hotelbars nie verlassen. Kohorten junger Menschen, die ihr Erspartes zum plastischen Chirurgen tragen. Selfies, die das Elend zeigen. Erregung, die als neue Währung gilt. Waffenhändler, die im Reichtum baden. 

Bäcker, die ums Überleben kämpfen. Reinigungskräfte, die bei der Tafel einkaufen. Ärzte, die ohne Speed nicht mehr durchhalten. Pflegekräfte, die an Flucht denken. Paketboten, die im Führerhaus des Trucks in leere Flaschen pinkeln. 

Kinder, die sich mittags in die Hungerküche schleichen. Spezialisten, die das Land verlassen. Spitzenköche am Bratwurststand. Restaurants, die nicht mehr öffnen. Beamte, die kein Land mehr sehen. LKW-Fahrer, die nicht mehr nach Hause finden.

Kriege, die die, die in ihnen mit ihrem Leben bezahlen, nicht wollten. Vegetationen, die veröden. Arten, die es nicht mehr gibt. Neue Wüsten. Schmelzendes Eis. Pandemien. Allergien. Unverträglichkeiten.  

Appelle, die als Taten gelten. Symbole, die das Handeln ersetzen. Gefühle, die für Haltung stehen. Hochmut, der die Qualität ersetzt. 

Geschichte, die keiner mehr kennt. Logik, die sich pausenlos verdächtig macht. Vernunft, die als Privileg von Esoterikern gilt. Wissenschaft, die sich verkauft.“

An dieser Stelle brechen die Notizen ab. Entweder, der Autor ist bereits am Werk, oder er hat kapituliert und ist dann doch zum Kiosk gegangen. 

Sachdienliche Hinweise werden gerne entgegen genommen. 

5 Gedanken zu „Agenda 23

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