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Ukraine: Das Blaue vom Himmel

Will man dem Verlauf des Zeitgeschehens auf die Schliche kommen, ist man gut beraten, in den Chroniken etwas zurückzublättern. Schnell zeigt sich dann, dass vieles, über das wir vielleicht ein wenig erstaunt die Stirn runzeln, das kalte Ergebnis von Entscheidungen ist, die in der Vergangenheit gemacht wurden. Ja, auch im Hinblick der bis zum Erbrechen wiederholten Formulierung über den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist das so. Und ja, ich bekenne, ich habe meine eigenen Aufzeichnungen vor allem aus den Jahren 2013/14 wieder hervorgeholt und mir die aus meiner damaligen Sicht betrachteten Geschehnisse um den Maidan und den Regime Change in der Ukraine angesehen. Das, was ich nahezu verdrängt hatte, stand dort schwarz auf weiß: Alles, was jetzt wie eine völlig irrationale Handlung des russischen Präsidenten Putin dargestellt wird, ist von langer Hand vorbereitet gewesen. Ich habe das damals so gesehen und es hat sich bestätigt. Und das liegt nicht an meiner überaus weisen Voraussicht, sondern an Evidenz. Die Dokumente sind auf diesem Blog zu lesen.

Es ist so eine Sache, wenn festgestellt werden muss, dass die Politik der eigenen Regierung von langer Hand auf einen militärischen Konflikt angelegt war. Da gibt es leider keinen Zweifel. Die  damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte noch kürzlich in einem Interview mit der ZEIT gebeichtet, dass die Verhandlungen zum Minsker Abkommen nur geführt wurden, um der Ukraine Zeit zu verschaffen, um aufzurüsten. Und der damalige Außenminister Steinmeier, heute Bundespräsident, war maßgeblich an diesemTäuschungsmanöver beteiligt. Dementis gibt es nicht. Nachgehakt wird seitens der abgetakelten Presseorgane auch nicht. 

Als sich aktuell hier Stimmen zu Wort meldeten, dass man möglichst schnell zu einem Waffenstillstand kommen müsse, um das Töten zu beenden, sprang die ganze moralinsaure und von kolonialem Sendungsbewusstsein durchtränkte Meute, deren ultima Ratio in der Lieferung von Waffen besteht, an den Zaun und fauchte mit hysterischer Stimme, dass sei Friedensgeschwurbel, Defätismus, Agententum. Mit so einem Zeitgenossen wie Putin könne man nicht verhandeln, weil der es nicht wolle. 

Dass der russische Präsident nicht geneigt ist, zu verhandeln, liegt wahrscheinlich daran, dass seine einstigen Verhandlungspartner in aller Öffentlichkeit damit prahlen, bei dem Paket Minsk mit gezinkten Karten gespielt zu haben. Wer selbst unredlich handelt und sich das noch stolz ans Revers heftet, darf sich nicht wundern, wenn seine Reputation auf der anderen Seite ruiniert ist. Soviel ist klar: Hier, d.h auf Seiten derer, die einen Eid darauf abgelegt haben, Schaden vom deutschen Volke fern zu halten, hat anscheinend niemand Interesse, diesen Krieg zu beenden. Zu gut laufen die Geschäfte. Und die Kollateralschäden haben andere zu tragen. 

Es wird berichtet, dass innerhalb der EU-Nomenklatura von einigen die Formulierung Viktor Orbans, bei der Ukraine handele es sich mittlerweile um ein unregierbares Wrack, trotz aller Distanz, immer öfter kolportiert wird. Es stellt sich die gar nicht so abseitige Frage, wann die Stimmen aus der Ukraine lauter werden, die sich für die grenzenlose Tragödie, die ihrem Land widerfährt, auch bei denen zu bedanken, die die Weichen gestellt haben. Selbstverständlich ohne eigenes Risiko. Aber mit großem wirtschaftlichen Gewinn. 

Sie haben das Blaue vom Himmel herunter gelogen. Und es wird eine Rendite folgen, mit der sie nicht gerechnet haben. 

Der Hecht und die Zuchthauspraline

Als Friedrich Merz für viele Beobachter plötzlich, wie ein längst verendet vermuteter Hecht einen steifen Sprung über die Oberfläche des Teiches wagte, drängte sich die Frage auf, ob die Kränkung, die das Ende seiner politischen Karriere zu Anfang der Ära Merkel bedeutet hatte, so tief saß? Ob ein Mensch, der es zwischenzeitlich zu einem überaus wohlhabenden und erfolgreichen Geschäftsmann geschafft hatte, doch diese eine Kränkung nicht überwunden hatte? Es dauerte jedoch nicht lange, und dieser Interpretationsansatz wurde wegen Abwegigkeit verworfen. Schnell wurde erkannt, dass es ein anderes Motiv gab, das gewichtiger erschien. Die Supermacht jenseits des Atlantiks suchte wohl einen Garanten für die Nibelungentreue gegenüber dem Imperium, eingeschlossen der Verfechtung der dortigen Wirtschaftsinteressen. Und da fand sich kein besserer Kandidat als der Satellit aus dem kalten Brilon.

Als dann bekannt wurde, dass der eigentliche Prolongator des forschen Black-Rock-Managers ausgerechnet jener Player aus dem Schwarzwald war, der seinerseits in der vermeintlichen Beliebtheit ganz oben rangiert, weil er als Finanzzuchtmeister das Projekt Europa zwar gegen die Wand gefahren hatte, aber durch die Magie der Schwarzen Null den Spartrieb der Sicherheitsideologen bedient hatte, da tauchte wieder ein Motiv auf, das sich schon bei F.M. angedeutet hatte. Auch Wolfgang Schäuble, der einstige König der Parteispenden, war von Angela Merkel entthront worden und teilte das nicht nachlassende Gefühl der Zurückweisung mit dem erwähnten Hecht aus dem Sauerland. Zudem hatte Merkel dem sparsamen Wolfgang noch das Bundespräsidentenamt verhagelt. 

Nun haben sich zwei gefunden, die zwar seelisch die Schmach vereint, von einer Frau, einer Ostfrau! übervorteilt worden zu sein, aber sie teilen auch noch etwas anderes. beide sind Verfechter der Form des Wirtschaftsliberalismus, der mit dem Ende des Kalten Krieges einsetzte und für zahlreiche innere wie äußere Verheerungen in vielen Gesellschaften steht. Man mag über die Psycho-Kiste, die beide da spielen, wohlwollend hinweg sehen, über ihr Programm jedoch nicht. Es geht um die weitere Demontage des Gemeinwesens und das hemmungslose Versilbern von allem, was der modernen Zivilisation heilig sein sollte. In dieser Hinsicht ist die Liaison der beiden für diese Republik brandgefährlich. 

Dass Insider berichten, Schäuble spekuliere sogar noch auf eine Kanzlerschaft, wenn auch nur eine kurze, für den Fall der Wahl von F.M. zum Parteivorsitzenden der CDU und dem Austritt der SPD aus der Koalition, so lange, bis wieder gewählt wird, und dann – wird man sehen. Zuzutrauen ist einem Teil derer, die das politische Geschäft seit Jahrzehnten prägen, ein solches Spiel. Und gerade dieser Abusus ist es, der mit für die Krise des gesamten Systems verantwortlich zeichnet.

Als Kanzlerin Merkel ihren Verzicht auf den Parteivorsitz verkündet hatte und wie aus dem Nichts drei Kandidaten auftauchten, rühmte sich die CDU für die große und gute Auswahl. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich der eine, der aus dem Münsterland, als ein relativ harmloser Junger, der auch mal möchte, AKK als Merkel light und F.M. als Revisionismus des Wirtschaftsliberalismus, ausgestattet mit dem Attribut der Marionette der nicht ganz korrekt, aber dennoch immer wieder treffend als schwäbische Zuchthauspraline titulierten Figur.

Das Land tanzt einen schaurigen Makabré. Bleibt die Frage, ob sich die Zuschauer noch irgendwann zu Wort melden.   

Never underestimate the Fat Guys!

Bei allem Zweifel, wie wir die Zeiten, in denen wir leben, bewerten sollen, in einem sind sie eine ungenannte Bereicherung. Wer will, kann viel lernen. Das war nicht immer so. Die Zugänge zu einem prallen Leben voller Widersprüche waren lange durch hohe Mauern versperrt. Heute durchdringt jede schwergewichtige Entdeckung und jede Sottise gleichermaßen den Äther.

In den vergangenen Tagen war wieder so eine Gelegenheit, als es um die Frage ging, ob die die bürgerliche, gesetzmäßig definierte und verankerte Ehe auch für gleichgeschlechtlich oder wie auch immer orientierte Menschen gilt. Für die direkt von dem bisherigen Ausschluss von dieser Institution Betroffenen ging es um das Ende einer lange gefühlten wie erlittenen Diskriminierung. Für viele nicht betroffene Beobachter ging es, je nach Sichtweise, um den Untergang des Abendlandes oder um die Justierung des Rechts entsprechend der veränderten Lebensweisen einer sich rapide entwickelnden Gesellschaft. Neben dem Recht auf Adoption geht es aber auch um Eheverträge, Gütertrennung und Pensionsansprüche. Böse Zungen behaupten, es ging dabei auch um die Verbürgerlichung einer Alternative. Und folgt man dieser Sichtweise, dann ist alles, was aus der Andersartigkeit ableitbar war, nun im heiligen Hafen der bürgerlichen Familie angekommen. Oder wiederum anders gefragt, ist ein Ende von Diskriminierung nur durch eine Assimilierung an die Steuererklärung zu erwirken?

Wiederum grandios war die Wendigkeit, mit der die Kanzlerin eine für sie brisante Situation gemeistert hat. Genau taxierend, dass sie da im Lande einer exklusiven Symbolpolitik eine Maschine auf sich zukommen sah, bei der sie nicht wußte, was sie noch alles mitreißen würde, wenn sie erst Tempo aufnahm, nahm sie das Thema, das bereits Wucht hatte, einfach aus dem Wahlkampf, indem sie es zu einer Gewissensentscheidung erklärte und somit für die Koalition abstimmungsfähig machte und ehe eine größere Diskussion noch einmal hätte aufflammen können, war die Sache abgestimmt und raus aus dem Arsenal der brennbaren Stoffe.

Und by the way, Cherie Merkel war noch wendiger. Sie ließ die Abstimmung zu, obwohl sie wusste, dass der Mehrheitsstandpunkt ihrer Partei eine Schlappe erleiden würde, stimmte aber gegen die Vorlage, um sich emotional in das Lager der Entrüsteten und Besiegten zu begeben und sich mit ihnen emotional zu solidarisieren. Das war die großartigste Referenz an ihren politischen Ziehvater, der in Speyer auf seine Beisetzung wartet. Besser hätte es der Dicke nicht machen können. Never underestimate the fat guys!

Und noch etwas. Bei allem Respekt vor der Angelegenheit, die unter dem Schlagwort „Ehe für alle“ zur Debatte stand. Die Frage hatte einen Stellenwert, der mit der maslow´schen Bedürfnispyramide nicht zu erklären ist. Ob Krieg oder Frieden, in Syrien, der Ukraine und damit auch hier, oder ob der von den USA lancierte Gaskrieg, genauer der Krieg um Gaslieferungsrechte mit Russland und damit auch hier, oder der von Sadi Arabien lancierte Gaskrireg, der Krieg um den Zugriff auf die Ressource Gas, oder die Pauperisierung Südeuropas durch Schäubles Austeritätspolitik und dem damit verbundenen Risiko einer Auflösung der EU, nichts von dem scheint in dem an Fahrt aufnehmenden Wahlkampf eine emotional gleichwertige Rolle zu spielen. Schlimmer noch, es findet nicht statt.

Und damit wäre dann wohl zumindest die spekulative Frage erlaubt: Wie ist es um ein Gemeinwesen bestellt, dass sich über Symbole so heftig zu streiten versteht, aber die existenziellen Bedrohungen gar nicht wahrnimmt?