Die Entwicklungslinie scheint allem vorgezeichnet zu sein. Eine neue Idee taucht auf, oder auch nur eine neue Art und Weise, das Alte in Frage zu stellen. Das Novum löst Unruhe aus, es schockiert, es erhitzt die Gemüter. Von nichts anderem ist mehr die Rede als von dem Neuen. Ablehnung und Zustimmung befinden sich zumeist in einem eindeutigen Verhältnis. Da Menschen grundsätzlich nicht besonders veränderungsliebend sind, ist die Gruppe derer, die das Neue zunächst einmal spontan ablehnen, in der Regel weitaus größer als die der Befürworter. Doch dann kommen die ersten Avancen. Man will mehr über das Neue, seine Akteure und die Hintergründe wissen. Und aus dem Fremden, das gestern nur geschockt hat, wird allmählich etwas Vertrautes, das einen menschlichen, allzumenschlichen Hintergrund bekommt.
Und hinter den schlimmsten Revoluzzern verbergen sich plötzlich Menschen wie Du und Ich. Und tatsächlich, langsam aber sicher fassen auch diejenigen, die das Neue so gar nicht mochten, Vertrauen in das Neue. Da es menschliche Züge bekommen hat, scheint es nicht mehr so gefährlich zu sein. Und nun kommt es auf das Neue selbst an. Wenn es sich selbst auch immer mehr der großen, schweigenden Wand annähert, um die eigenen Gesichtszüge zu zeigen, dann dauert es nicht mehr lange und die Wand verschwindet. Und diejenigen, die das Neue erfunden haben, erwachen in der großen Herde, von der sie sich absetzen wollten. Es ist die Annäherung über das urmenschliche Gefühlt der Gemeinsamkeit.
Es existieren aber noch andere Möglichkeiten, das Neue zu entschrecken. Man nennt es die Verwertungsmethode des Kapitalismus. Der macht es anders. Er macht das Neue, Schreckliche, zu einem Produkt und bringt es auf den Markt. Dort können es all jene kaufen, die schon immer einmal revoltieren wollten, aber aus welchen Gründen auch immer nie dazu kamen. Sie können sich den Gestus der Revolte jetzt in Form einer Ware kaufen und so tun, als gehörten sie zu dem Neuen. Gesellschaftlich wird das traditionell wunderbar toleriert, weil es nichts in Frage stellt. Es ist ein bloßer Gestus. Das hat sich dermaßen eingespielt, dass die eigentliche Rebellion immer seltener wird. Die Angst vor der Vermarktung alleine scheint viele davon abzuhalten, sich auf riskante Missionen der Veränderung zu begeben.
Nun kann man die Verwertungslogik des Kapitalismus beklagen, aber das hilft nicht weiter. Die Liste der vermarkteten Bewegungen ist lang und nahezu komplett. Von Dada bis zum Punk sind die kulturellen Erhebungen der Moderne im Warenhaus gelandet. Und von der sozialen Revolution bis zum Ökologismus hat die Ökonomie sehr profitiert. Das allerdings als Grund für den Abgesang zu nehmen, ist eine Form des Defätismus, die ihrerseits keinen attraktiven Geist versprüht.
Es sollte darüber nachgedacht werden, welche Formen der Vermarktung letztendlich existieren und wo die Verwertungsmaschine ins Stocken gerät. Sicher, die Form kann immer vermarktet werden und selbst die Reproduktion der zerfetzten Klamotten von südamerikanischen Guerilleros lassen sich in Münchner Boutiquen für horrende Preise verkaufen. Das entkräftet aber nicht die Aktion derer, die tatsächlich im Dreck liegen und ihr Leben für etwas Neues riskieren. Der Gestus ist nicht gleichzusetzen mit der Aktion selbst. Wer die Initiative behalten will, kann das auch. Bei aller Verwertungslogik.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.