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Blaues Wunder oder Karre an die Wand?

Wer mit hohen Ansprüchen durch die Welt eilt, muss es sich gefallen lassen, in seinen täglichen Handlungen genau beobachtet zu werden. Denn es gilt als sicher, dass diejenigen, die den so anspruchsvollen Menschen betrachten, eine Beziehung herstellen zwischen dem, was er als sein Motiv zu erkennen gibt und wie er sich gleichzeitig verhält. Wer der Illusion verfällt, man könne Dinge proklamieren, die für alle Welt gelten sollen, aber man müsse sich in seinen täglichen Handlungen selbst nicht daran halten, hat Glaubwürdigkeit und Vertrauen verloren. Und das ist, um in der hemmungslosen Sprache unserer Tage zu bleiben, sogar kriegsentscheidend. 

Wer großangelegt täuscht, indem er Wasser predigt und selbst edlen Wein in Unmengen in sich hineinschüttet, ist schneller entlarvt, als er zu glauben bereit ist. Wir alle kennen das. Aus unserem Alltag. Sie sind bekannt, die vorgeben, für etwas Gutes und Edles unterwegs zu sein, um schließlich der Eigensucht und ganz anderer Motive überführt zu werden. Das ist betrüblich, aber leider allzu menschlich. Denn machen wir uns nichts vor: wir würden das Phänomen nicht so gut kennen, wenn wir es nicht unzählige Male beobachtet hätten, im Großen wie im Kleinen, beim Präsidenten wie bei der Metzgersfrau. 

Was wir momentan, in dieser turbulenten Zeit, allerdings als eine neue Dimension erleben, ist die völlige Unbekümmertheit, mit der auf der einen Seite hehre Ziel als Handlungsmotiv vorgegeben werden, und der Nonchalance, mit der erst gar nicht versucht wird, die eigene Zivilisationslosigkeit, die Korruption, die Unzulänglichkeit wie die niederen Motive überhaupt zu verbergen. Diejenigen, die sich in mächtigen Positionen befinden, scheren sich nicht mehr um die tatsächliche Wirkung ihrer Täuschungen. Sie werden abgeschirmt durch einen medialen Kordon, der ihnen die Resonanz liefert, die sie benötigen, um sie zu entfernen von jenen, die sie vertreten und um die es geht. Der Ausgang lässt sich mit Sicherheit prognostizieren. Entweder werden sie mit ihrer eigenen Wirkung auf diese Menschen plötzlich konfrontiert und sie erleben ihr blaues Wunder, oder sie fahren die Karre ohne Bremse an die Wand. Beides ist möglich, eine dieser beiden Optionen ist sicher.

Die Bitte an alle Beteiligten könnte dringlicher nicht sein: Legen Sie ein strenges Maß an die reklamierten Ziele und das persönliche Handeln der jeweiligen Akteure. Wer die Befreiung der Menschheit propagiert und Menschen in Arbeitslager sperrt, wer die Freiheit alles Möglichen fordert und seine eigenen Kritiker verunglimpft und in Knäste wirft, wer von Friedensordnungen spricht und unablässig Waffen produziert und positioniert, wer die Missstände Dritter anprangert und die eigenen verschleiert, soll sein Urteil erfahren.

Bei derartigen Überlegungen wird klar, wie notwendig eine Weltordnung sein wird, die sich von der Vorstellung von Herrschaft und Dominanz verabschiedet und unter der Hauptüberschrift des gegenseitigen Respekts und der Kooperation stehen muss. Im Moment sehen wir erneut, wie desolat die alten Paradigmen sind. Und unter den gegenwärtigen Eindrücken könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass alles so bleibt, wie es war und somit alles ein schlechtes Ende nehmen wird. Aber, zumindest für einige trifft immer noch der Satz zu, dass die Hoffnung zuletzt stirbt. Bleibt die Frage, wo auf der Welt die Kraft wachsen wird, die erforderlich ist, um den notwendigen Paradigmenwechsel vorzunehmen und die alten Krieger der Vergangenheit in die Archive zu schicken. 

Wie eine letzte, längst verlorene Schlacht

Wie entstehen kluge Strategien? Sie beginnen mit einer Art Heerschau – wir befinden uns seit langem in Kriegszeiten – der eigenen Kräfte und Potenziale. Es wird erkundet, was mit diesen Ressourcen und Potenzialen angestellt wird. Es werden Tendenzen analysiert, mit welchen Chancen und Herausforderungen in Zukunft zu rechnen ist und in welcher Beziehung dieses zu den eigenen Kräften steht. Dann wird überlegt, wie die eigenen Bedingungen verändert werden müssen, d.h. welche strukturellen Veränderungen und welche qualifikatorischen Maßnahmen die Menschen erreichen müssen, um die aus den Herausforderungen und Chancen abgeleiteten Ziele erreichen zu können. Und, nicht zu vergessen, es muss auch betrachtet werden, welche Akteure sich sonst noch auf dem Terrain tummeln, auf dem man selbst agiert. Und selbstverständlich sollte auch sein, sich über deren Interessen wie Fähigkeiten ein Bild zu machen, um austarieren zu können, wo Kooperationschancen bestehen und wo scharfe Gegensätze zu erwarten sind.

Diese kurze Überlegung über die Grundausstattung von Strategiebildung zeigt bereits, in welchem Dilemma sich aktuell der Westen auf diesem Globus befindet. Seit Jahren führt er militärische wie Wirtschaftskriege gegen alle möglichen Akteure auf der Welt, und stets mit dem Ziel, sie nach dem eigenen Bild zu formen, was allerdings noch nie gelungen ist. 

Wer das Weltgeschehen über mehrere Hundert Jahre beherrscht hat, und damit sind der westliche Kolonialismus wie Imperialismus gemeint, befindet sich im Rausch der ewigen Suprematie. Und erst, wenn es zu spät ist, zu bemerken, dass sich das Blatt gewendet hat, taucht die Erkenntnis am Horizont auf, dass die Zeiten der eigenen Herrlichkeit vorbei sind. Das erging allen Imperien in der Geschichte so, den asiatischen Horden, den Dynastien Südamerikas, dem Reich der Mitte, Alexanders Griechenland und dem mächtigen Römischen Imperium. Alle erreichten die Hegemonie durch Stärke, wirtschaftlicher, militärischer, kultureller wie mentaler Art. Und alle erreichten irgendwann das Stadium der Übersättigung, der Stagnation und des Niedergangs.

Die Welt, wie sie sich heute gebärdet, liefert ein Bild des Übergangs. Und in diesem Übergang spielt der von Kolonialismus und Imperialismus geprägte Westen die Rolle des sich im Niedergang befindenden systemischen Hegemonen. Er ist gekennzeichnet durch unüberlegtes Handeln, eine zunehmende Aggressivität und eine dramatisch abnehmende Fähigkeit zur Strategiebildung. Man nehme die konkreten politischen Agenden der letzten Jahre, ob aus den USA, ob aus Großbritannien oder aus der EU, und messe sie an den Ansprüchen der eingangs erwähnten Strategiebildung. Alles, was sich darbietet, ist ein kriegerisches Milieu, militärisch wie wirtschaftlich. Der Maßstab für deren Qualität ist der hohe Grad der Selbstschädigung, der mit der Anwendung dieser Agenda verbunden ist. Ganz nach dem Motto: Koste es, was es wolle, selbst zum Preis der Selbstverstümmelung. Das ist keine Strategie mehr, sondern die nackte Verzweiflung.

Kürzlich war eine Betrachtung eines arabischen Journalisten zu lesen, der die hier dargelegte Sicht darlegte: der Westen ist auf dem Globus zunehmend isoliert, erhandelt nach wie vor wie eine Kolonialmacht und er leugnet neue Kraftpole neben sich. Alles, so der Mann, sähe aus wie eine letzte, längst verlorene Schlacht. 

Wir, die wir hier im Zentrum des einstigen leuchtenden Abendlandes sitzen und unseren Augen und Ohren nicht mehr trauen, wenn wir die dürren Konzepte einer gänzlich strategieunfähigen politischen Elite zur Kenntnis nehmen müssen und längst die Stimmen aus den andren Winkeln der Welt wahrnehmen können, die bereits von einer gewaltigen tektonischen Verschiebung berichten. Es zerreißt einem das Herz. Aber so ist es mit Tragödien.

Hongkong: Ohne Maß und Sitte

Wenn man lange genug an etwas arbeitet, dann führt es auch irgendwann zum Erfolg. Dieser Satz stimmt nicht immer, aber oft. Die politische Berichterstattung im ZDF ist ein Beispiel für seine Gültigkeit. Dort hatte man irgendwann begonnen, die Köpfe des Genres in amerikanische Think Tanks aufzunehmen. Die wurden dort lange genug betreut, bis sie sich das Weltbild, das dort produziert wurde, aneigneten. Sie taten es während ihres Dienstes kund und so verbreitete sich nicht die us-amerikanische Weltsicht, denn die gibt es genauso wenig wie die russische oder die chinesische, aber eine Anschauung, die bestimmte Kreise in den USA vertreten. Dort herrscht die Vorstellung von Welt-Hegemonie und das Modell von Stanislaw Brzezinski vor. Die USA beherrschen die Welt aufgrund ihrer Präsenz in vielen Ländern des Planeten, aufgrund ökonomischer und technologischer Stärke und basierend auf Annahmen, die vor allem die Abtrennung Russlands von Europa als condition sine qua non zum Erfolg voraussetzen.

Die Think-Tank-Mitglieder gingen zudem dazu über, als Quellen ihrer journalistischen Recherche wiederum andere Think-Tank-Mitglieder auszuwählen. Nicht immer, aber immer öfter. Vor allem bei Fragen weltpolitischer Bedeutung. Manchmal wundert man sich, wenn mediokre, noch nie gesehene Quellen als wissenschaftlich ausgewiesen werden, weil sie von irgend einem Institut kommen, das sich bei näherem Hinsehen selbstverständlich als ein aus den USA finanzierter Think Tank entpuppt, und diese analysieren dann die rücksichtslosen Expansionspläne Russlands oder Chinas. Das hat Ausmaße angenommen, die das Urteil erlauben, die politische Berichterstattung über das Weltgeschehen im ZDF werde direkt, aber versteckt in Washington konzipiert. Billiger kann man die Souveränität eines Landes nicht unterminieren. 

Die neuesten wie die älteren Berichte über die Ereignisse in Hongkong sind so ein Beispiel. Sowohl die alte Kolonialmacht, die sich den chinesischen Bissen nach einem der dreckigsten Kriege der Menschheitsgeschichte einverleibt hat, als auch das ihm folgende Imperium haben ein massives Interesse daran, den Brocken, der seit 1997 mit einer fünfzigjährigen Übergangsfrist zurück seinen völkerrechtlich legitimen Eigentümer zurückgehen soll, doch noch vom auf dem Silbertablett liegend zu stibitzen. 

Seit der geplanten Annullierung des Auslieferungsverbots von Hongkong-Bürgern donnert der deutsche Kanal gegen alles, was von Seiten der Hongkonger Regierung oder aus der chinesischen Volksrepublik unternommen wird, um das Treiben zu unterbinden. Das, was so gerne als eine freiheitliche Bürgerbewegung dargestellt wird, hat einen militanten, eigenartigerweise auch aus Washington finanzierten Arm. Er glänzt durch gewaltsame Attacken und Sabotage-Akte, die nichts anderes zum Ziel haben, als China zu provozieren und es, sollte es unbedacht reagieren, international an den Pranger stellen zu können. Dass bei diesem Unterfangen die tatsächlich vorhandenen bürgerrechtlichen Kräfte aufgerieben und nicht mehr gehört werden, ist kein Geheimnis. Die Killer einer Hongkonger Demokratiebewegung sind die Propagandamasken, die im ZDF gefeiert werden.

Der große Entertainer im Heute Journal sprach denn jetzt auch, dass die britische Regierung, die vielen Hongkonger Bürgern einen Pass für GB geben will, um sie vor chinesischer Verfolgung zu schützen, die Schutzmacht Hongkongs sei. Dabei handelt es sich um die Umkehrung aller Werte, zumindest derer, die dem Völkerrecht zugrunde liegen: In der Märchenstunde eines öffentlich-rechtlichen Senders, der sich als politisches Journal verkauft, werden die Nachfolger einer Kolonialbande, die sich mit Kanonen und Rauschgift etwas unter den Nagel gerissen haben, als Schutzmacht bezeichnet. Befände man sich in gesitteter Gesellschaft, müsste man empört ausrufen: Das geht aber zu weit! Aber an diese Sitten kann nicht mehr appelliert werden. Sie existieren nicht.