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Der Krieg bleibt, was er ist!

Dieser Krieg wird Renditen einfahren, wie wir sie noch nicht gesehen haben. Wer sie wird feiern können, steht bereits so gut wie fest. Es sind aber nicht die, die im Moment meinen, sie stünden auf der richtigen Seite. Dass mit Renditen lediglich monetäre Werte gemeint sind, ist etwas für Kurzsichtige. Ja, wer Aktien besitzt, zum Beispiel bei Rheinmetall, der wird das Ergebnis zählen können. Übrigens sind bei diesem Paket die meisten Eigentümer aus den USA. Die Waffengeschäfte sind allerdings nicht nur bei den Produzenten zu verbuchen, sondern auch bei denjenigen, die die Lieferungen zwar in Empfang nehmen, aber nicht an ihren Bestimmungsort senden, sondern woandershin verkaufen. Es ist ein ausnehmend lukratives Geschäft. Denn bezahlt ist die Ware. Verkauft wird sie dorthin, wo man noch einmal bezahlt. Und das sind Käufer aller möglicher Herkunft, aber nicht unbedingt eine direkt beteiligte Kriegspartei. 

Zumeist sind es Organisationen, die sich bereits rüsten für das Danach. Für den Zustand, wenn alles in Trümmern liegt, wenn keine staatliche Ordnung greift und das Recht des Stärkeren herrscht. Dann bricht die Zeit der Schattenherrschaft an. Dort liegen die Waffen, und der Rest einer aller Abzeichen entledigten Soldateska wird sich verzweifelt in diesen neuen Sold begeben. Dann ist alles, was mit Recht, mit einem staatlichen Gewaltmonopol und mit einem Empfinden für das Gemeinwesen verbindet, nichts als eine romantische Erinnerung. Das wird die große Stunde des organisierten Verbrechens sein. Und es wird bestens gerüstet sein, mit willigen, durch den Krieg verrohten Subjekten, die bis an die Zähne bewaffnet sind.

Und ja, diejenigen, die jetzt von feministischer Außenpolitik krakeelen, die kriegslüsternerer und martialischer nicht sein könnte, sie werden betrachten können, was aus dem Prozess der Zivilisation der letzten siebzig Jahre geworden ist. Alles, was mit der Emanzipation der Frau zu tun hatte, wird in dieser verrohten Nachkriegsgesellschaft Vergangenheit sein. Das Soldatisch-Patriarchalische wird die Herrschaft übernehmen. Was das heißen wird? 

Es werden Hierarchien etabliert werden, die nicht nur von Männern dominiert, sondern auch mit brachialer Gewalt durchgesetzt werden. Achtsamkeit und Augenhöhe werden Schimpfwörter sein und alles, was als eine verfeinerte Lebensform von vielen so sehr geschätzt wurde, wird als Zeichen von Dekadenz und Verweichlichung angeklagt werden. Wer den Krieg mit seinem Morden und seinen existenziellen Dauerkrisen hinter sich gebracht hat, der will sich alles auf einmal zurückholen. Da wird nicht mehr geworben werden, da wird sich geholt, wonach einem ist. Nicht nur bei materiellen Gütern der Ausschweifung, sondern auch bei Frauen. Egal wo. Kinder des Krieges sind Kinder des Krieges.

Das, was sich jetzt noch so gut anhört wie der gerechte Kampf um die liberale Demokratie, die dort auf keiner Seite je geherrscht hat, ist der Kampf von Oligarchen. Hier wie dort. Alles andere ist die pure Illusion. Es ist nur zu empfehlen, vom Ende her zu denken. Jeden Tag, den dieser Krieg länger dauert, macht die hier gemachte Prognose wahrscheinlicher. Die Propagandisten für eine Fortführung des Krieges sind verkommendes Pack, das sich andere Renditen verspricht. Aber der Krieg, der bleibt, was er ist.

„Im allgemeinen kann man sagen, dass uns gemeinen Leuten Sieg und Niederlag teuer zu stehen kommen.“ 

Die hart gesottene Mutter Courage war da um einiges weiser als der Zeitgeist.

Der große Wurf und die gemeinsame Intentionalität

Nehmen wir einmal an, dass das, was momentan die Welt spaltet, tatsächlich die Dimension hat, die viele Menschen, egal auf welchem Kontinent sie leben, dazu verleitet, in Depression und Dystopie zu verfallen. Die Aufzählung dessen ist tatsächlich bedrückend. Auch wenn das in unseren Breitengraden gerne geleugnet und nicht als akut wahrgenommen wird: Das sind Armut und Hunger, da ist die fortschreitende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, da sind Epidemien, da sind gesellschaftlich-politische Konstrukte, die von Gewalt und Ausgrenzung leben und da sind heiße und schwelende Kriege. In ihrer Summe sind das Ereignisse, die in ihrer Wirkung zunehmen und die Aussicht auf eine gemeinsame, globale Existenz im Wesen bedrohen.

Die Geschichte wie die tägliche Praxis in kleineren Kontexten lehrt, dass es unmöglich ist, eine solche Problemkonzentration auf einmal und gleichzeitig lösen zu können. Und und es ist ebenso illusionär zu glauben, dass ein kleiner Teil der Betroffenen in der Lage sein sollte, einen Ausweg zu finden, ohne die anderen Teile mit einzubinden und sie als Akteure einzubinden und zu akzeptieren. Und es ist in solchen Situationen wichtig, eine gemeinsame Vorstellung darüber zu entwickeln, nach welcher Priorisierung vorgegangen werden soll. Geschieht dieses alles nicht, dann ist die Prognose stabil, dass sich nichts ändern wird.

Die Erkenntnis ist banal wie folgerichtig. Nur hat sie momentan keine Mehrheit. Momentan formieren sich verschiedene Zentren, die jeweils der Auffassung sind, selbst den Schlüssel in der Hand zu haben und es lediglich notwendig sei, die konkurrierenden Systeme auszuschalten. Und, das ist die schlechteste Nachricht, gegenwärtig setzen die verschiedenen Akteure auf Krieg. 

Die anfangs aufgezählten Probleme haben es an sich, durch Kriege nur verstärkt zu werden: Armut und Hunger wachsen, die natürlichen Lebensgrundlagen werden weiter zerstört, Epidemien sind eine nahezu gesetzmäßige Begleiterscheinung von Kriegen und diktatorische Systeme erhalten Aufwind. Kriege zerstören Zivilisation. Der Krieg ist der beste Garant, um die weit verbreiteten Dystopien Wirklichkeit werden zu lassen. 

Nehmen wir an, der Gedankengang überzeugt. Wäre es dann nicht an der Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie diese konzentrierte, globale Problemlage in einer konzertierten Aktion beschrieben, analysiert und Lösungsansätze verfolgt werden können? Und ist es nicht Zeitverschwendung, sich über den einen und anderen Vorschlag, der sich auf eigennützige Eigenaktionen beschränkt, auseinanderzusetzen? Und ist es nicht ebenso unsinnig, mit dem Finger auf einzelne Akteure zu zeigen, und sie auf die gesamte Misere verantwortlich zu machen, nur um den eigenen Weg, der ebenso in das Desaster geführt hat, von jeglicher Kritik reinzuwaschen?

Es ist festzustellen, dass diese unsinnigen wie überflüssigen Ansätze in den verschiedenen Machtzentren dieser Erde überwiegen. Die Konsequenz kann allerdings nicht sein, die Hände in den Schoß zu legen und sich mit Untergangsszenarien zu befassen und auf das Ende zu warten. Die Menschen, die sich dessen bewusst sind, wären gut beraten, dort, wo sie leben, für eine globale konzertierte Aktion zu werben und sich vor allem von denen zu trennen, die schon immer alles gewusst haben, die Patentlösungen in der Tasche zu haben glauben und vor allem mit dem Finger weltweit auf jene zeigen, die für die Gesamtlage alleine verantwortlich sind. 

Leider dominiert dieses System, das kolonialistische Züge trägt und in der Tradition der Kreuzzüge steht, auch in dem Verantwortungsbereich, in dem wir leben. Damit muss Schluss sein. Das einzige, was  helfen mag, um die kollektive existenzielle Bedrohung abzuwenden, ist eine globale Initiative. Es geht um den großen Wurf. Dieser ist ohne das, was man in der Kommunikationsforschung so treffend die gemeinsame Intentionalität nennt, also die Übereinkunft, den Willen zu haben, es gemeinsam bewältigen zu wollen, nicht zu machen. Wer das leugnet, ist Teil des Problems.    

Krieg, Subjekt und Objekt

Wer immer noch in dem Glauben ist, bei dem Krieg in der Ukraine ginge es um den Kampf einer jungen, immer noch brüchigen Demokratie gegen einen übel riechenden Dämonen, der sei zu seinem guten Glauben beglückwünscht. Das, was anfangs tatsächlich so aussah, wie die Invasion eines imperialistischen Nachbarn in ein gerade von diesem unabhängig gewordenes Land, entpuppt sich mit Fortschreiten der militärischen Auseinandersetzungen und aus etwas gröberer Distanz als ein Machtspiel, dessen Ende alles andere als eindeutig ist. Bei allen verständlichen Emotionen, die uns täglich durch die von einer Kriegspartei offerierten und dankend angenommenen Bilder entlockt werden, ganz so einfach ist es nicht.

Die Geschichte, die zu der Eskalation führte, die haben andere bereits unzählige Male in beeindruckender Weise erzählt. Sie noch einmal in Gänze zu rekapitulieren würde auch deshalb nichts bringen, weil sie der zur herrschenden Meinung modellierten Sichtweise entgegensteht. Was jedoch eine Betrachtung wert wäre, ist ein Perspektivenwechsel, der ein immer weiter ins Verderben rutschendes Europa aus der scheinbar Regie führenden Position herausholt und es dahin verweist, wohin es momentan tatsächlich gehört: in die Rolle eines Statisten.

Das Brett, auf dem gespielt wird, heißt Europa, die Spieler jedoch sitzen in Moskau und Washington. Im Moment! Aus russischer Sicht, die, wohlgemerkt, immer eine kontinental-imperialistische war, auch und gerade in sowjetischen Zeiten, geht es im die Restauration vergangener Macht- und direkter Einflusssphären. Sie gingen verloren mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Gründung einer ramponierten Russischen Föderation. Die aus dem Einfluss Moskaus entkommenen Staaten gingen mit der Erfahrung, einem despotischen System entkommen zu sein. Diese Erfahrung sitzt immer noch tief und erklärt die nahezu uniforme und aggressive Ablehnung gegenüber allem, was Russisch ist. Dass der Zusammenbruch der Sowjetunion  Millionen von Russinnen und Russen auf plötzlich fremden Territorien hinterließ, ist der eigentliche Sprengstoff. Ihn durch Rechte, Verbindlichkeiten und Verträge zu entsorgen, kann als eines der schwerwiegenden Versäumnisse angesehen werden. Dass der Westen, an den sich die unabhängig gewordenen Staaten wendeten, das Problem nicht erkannte oder erkennen wollte, lag an dessen aus dem vermeintlichen Sieg entsprungenem Triumphalismus.

In Washington hingegen wird das Schachbrett, auf dem gegenwärtig die Figuren stehen, von jeher als eine Partie angesehen, die entscheidend ist zum Erhalt der Weltherrschaft. Da geht es um die Abspaltung Russlands von Europa, besonders von Deutschland. Die Union von mitteleuropäischer Technologie und russischen Rohstoffen ist der Alptraum, den die maritime Weltmacht immer wieder träumt. Nachdem sich das Baltikum in den westlichen Militärkordon eingereiht und damit die Ostsee für Russland endgültig blockiert hatte, kam mit dem gelungenen Putsch in der Ukraine 2014 endlich die Chance, es auch endgültig vom Schwarzen Meer abzuschneiden. Dass mitten durch die Ukraine auch eine kulturelle Grenze verlief, wusste bereits Henry Kissinger, spielte aber bei dem geostrategischen Kalkül keine Rolle. Der jetzt dort geführte Krieg ist ein Tribut an diesen Schachzug, der aus us-amerikanischer Sicht den Vorteil mit sich bringt, sowohl Russland als auch Deutschland erheblich schwächen zu können. Je länger dieser Krieg dauert, desto vorteilhafter die Lage für die Hegemonie-Pläne der USA.

Im Grunde genommen geht es also um das Rangeln zweier imperialistischer Mächte um geopolitisch erforderlichen Einfluss. Was sich an der vorhandenen Aufstellung zeigt, sind die unterschiedlichen Fraktionen in unserem eigenen politischen Spektrum. Ohne auf die Selbstvergessenheit, mit dem ein karrieregeiler Mob die eigenen Interessen opfert und sich einer der imperialistischen Mächte ohne jedes Wenn und Aber verschreibt, besonders eingehen zu wollen: Essenziell wäre die Frage, wie Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen aus der Rolle des Objektes in die eines Subjektes gelangen könnte. Alles andere ist Augenwischerei.