Die Saat geht auf. Das, was im letzten Vierteljahrhundert der Welt als Design angelegt wurde, fruchtet zumindest in den Ursprungsländern. Der trotz der fatalen Entwicklung immer noch von vielen Politikern gelobte Washington Consensus, eigentlich die Neuaufteilung der Welt nach dem Niedergang der Sowjetunion, ist die Schaffung einer neuen Ordnung nach neoliberalem Design. Mehr Freiheiten für das frei fliegende Kapital, weniger Staat, weniger staatliche Verantwortung, Privatisierung wo eben möglich und möglichst wenig gemeinschaftliche Organisation. Gleich dem großen Fressen wurde alles verschlungen, was sich nicht wehren konnte. Am Schluss steht eine Weltordnung, die den Namen nicht mehr verdient. Die westlichen Demokratien wurden von innen heraus, mittels der eigenen Begehrlichkeiten, destabilisiert. Heute und in naher Zukunft werden die Staaten überleben, die sich nicht auf den Washington Consensus eingelassen haben.
Was sich niemand im Schicksalsjahr 1990 hätte vorstellen können und wollen, heute ist, zumindest in der westlichen Hemisphäre, nicht nach den reichsten Staaten dieser Erde zu suchen, sondern es sind einzelne Individuen, die reicher sind als reiche Staaten. Wir stehen am Ende der Privatisierung der Welt. Dass das so ist, haben wir zugelassen, indem wir Regierungen das Vertrauen ausgesprochen haben, die den dreckigen Job der systematischen Vernichtung der Gemeinschaft mit besorgt haben.
Gestern, bei einem Vortrag, wies ein Frankfurter Politologe darauf hin, dass er in seinen Seminaren in den 1990er Jahren an Indikatoren für die Kennzeichnung von Ländern der damals so genannten Dritten Welt gearbeitet habe. Zu diesen Indikatoren hätten gehört eine gravierende Spaltung der Gesellschaft in viele Arme und wenige Reiche, die Abschottung der Eliten, eine lausige Steuermoral der Eliten, ein schlechtes Bildungssystem, Mängel in der gesundheitlichen Versorgung, Wohnungsnot etc.. Man braucht gar nicht erst darauf hinzuweisen: Die Dritte-Welt-Indikatoren beschreiben mittlerweile sehr gut die faktische Situation im Land der Export-Vize-Weltmeister. Washington Consensus – Mission accomplished!
Die Privatisierung des Westens zugunsten einer Gruppe von Individuen hat deren Gemeinwesen drastisch geschwächt und gleichzeitig das Erscheinungsbild zumindest illiberaler Demokratien und autoritär organisierter Regimes verbessert. Wundert es da, wenn sich die Kritiker der Entwicklung daran zunehmend orientieren? Und es wird so bleiben! Warum? Weil die Saat, die der Neoliberalismus in gleichmäßigen, sich immer wiederholenden Bewegungen nach überallhin verteilt hat. Bis in die letzten Hirnwinkel auch verwirrter Geister ist die hyperventilierte Vision gedrungen, ein jeder könne walten wie der liebe Gott der Überlieferung. Es sei legitim über Leben und Tod zu entscheiden und es sei normal, dass er sein Schicksal selber in die Hand nimmt, und wahllos Menschen liquidiert, die in der eigenen individuellen Konzeption des Lebens stören.
Ob die Erosion des alten Westens, oder zumindest dessen, was sich angesichts der gegenwärtigen Situation im Gedächtnis festgesetzt hat, die Konkordanz individueller Freiheiten und dem Rechtszustand, in dem ein kollektiver Wille der Gemeinschaft definiert ist, ob diese Erosion noch aufzuhalten ist, steht in den leuchtenden Sternen. Sicher ist nur, dass jedes Festhalten an der neoliberalen Doktrin den Prozess der Auflösung noch beschleunigen wird. Wer sich damit noch brüstet, und davon gibt es hierzulande nicht wenige, garantiert damit den Aufstieg eines neuen, autoritären Kurses. Noch ist es möglich, sich gegen diesen Trend, der im Abendland vorherrscht, zu stemmen. Dieser Trend ist die Frucht der Politik des letzten Vierteljahrhunderts, und wer das Abendland noch retten will, der muss gegen diesen Trend aufbegehren.
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