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Monster, Helfer, und die Grenzen der Erträglichkeit

Gerade konnte ich einen Artikel lesen, der sich mit den Monstern befasste, mit denen wir es tatsächlich in der Politik zu tun haben. Damit waren jene gemeint, die für den Krieg hetzen, was das Zeug hält, die man getrost als eine russophobe Meute titulieren kann, die mit allem, was an demokratischem Gedankengut die einstige bürgerliche Gesellschaft zivilisatorisch geprägt hat, nichts mehr zu tun haben, die stattdessen dem autoritären Charakter frönen und ihn selbst verkörpern und die nicht mit einer Wimper zucken, wenn sie das Geld, das sie nährt, zählen, egal von welchem anderen Monster es auch kommt. Der Autor, ein immer wieder dokumentiert mutiger Mann, beendete seine Gedanken jedoch nicht mit einer Replik auf das Monströse, d.h. er rief nicht dazu auf, es diesen unliebsamen Kreaturen mit gleicher Münze zurück zu zahlen, wenn es auch schwerfiele. Denn dann, wenn man begönne, die Monster mit den gleichen Mitteln zu bekämpfen, wie sie sie benutzten, dann hätten sie bereits gesiegt, dann wären die Opfer der Monster selbst zu Monstern geworden. Er riet dazu, human, aufgeklärt und zivilisatorisch zu bleiben. 

Dass die beschriebenen Monster es in unserer Gesellschaft ganz nach oben geschafft haben, zumindest in der formellen Hierarchie, ist das eigentliche Debakel. Was ist eigentlich passiert, dass mediokre, im zivilen Leben als gescheitert geltende Individuen plötzlich im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen und agieren, als gehöre ihnen der ganze Laden? Ist es wirklich so, dass die Mehrheit der Gesellschaft, wie manche verzweifelt geneigt sind zu urteilen, diesen schillernden Gestalten den Auftrag gaben, ihr Unwesen mit der Legitimation einer Wahl zu treiben? Dass sie autorisiert sind, innerhalb atemberaubend kurzer Zeit aus dem Gemeinwesen ein Amalgam von Korruption, Kollusion und Nepotismus zu machen und sich in den Institutionen festzusetzen?

Die Wahlergebnisse für die Partei der agierenden Monster geben diesen Auftrag nicht her. Insofern ist die Verzweiflung über die gegenwärtige Situation nicht in vollem Ausmaß angebracht. Sie hat aber zumindest auch zu gelten für diejenigen, die aus dem einfachen Grund, immer dabei sein zu wollen, es diesen Bellizisten und Hasspredigern ermöglicht haben, in Amt und Regierung zu kommen. Ja, wie sagte einmal ein Vorsitzender der Partei, die wieder einmal eine historisch verhängnisvolle Rolle zu spielen gedenkt? Opposition ist nichts (oder hat er gar scheiße gesagt?). Das wurde zitiert, zumindest dieser Person muss das zugestanden werden, zu Zeiten, als die existenziellen Krisen sich zwar ankündigten, aber längst nicht so durchwirkten wie heute.

Aber nun, wo alles ins Rasen gekommen ist, wo die imperiale Weltordnung der USA zerfällt, sich neue Großmächte am Horizont zeigen, wo die Besitzverhältnisse dystopische Entwicklungen zeitigen und der Kollaps im Kampf um Ressourcen und ihrer Vernichtung vor aller Augen ist, in einem solchen Moment die Tür aufzumachen für gescheiterte Existenzen, für Dilettanten jeglicher Couleur und für ein Linsengericht käufliche Agitatoren, dieser Coup ist unverzeihlich. Und wer denkt, dass die Geschichte auch diesen Schritt vergessen machen wird, wie so viele Missgriffe in der Vergangenheit in der memorialen Verschollenheit versunken sind, wer darauf spekuliert, hat sich verkalkuliert. Denn wenn die Welt in Trümmern liegt, spielen die Annalen gar keine Rolle mehr.

Insofern möchte ich dem Autor, der sich mit den Monstern befasste, dahingehend nur zustimmen, dass man sich selbst nicht zu einem solchen entwickelt. Das sagt mir zumindest mein Verstand. Ob mein Herz, und das vieler anderer, den Zustand der Demolierung trotz dieser Erkenntnis noch lange ertragen wird, kann nur die Zukunft beantworten.    

Der Zivilisation nichts mehr zu bieten!

Das Zivilisatorische, welches dem Prinzip einer bürgerlichen Gesellschaft zugrunde liegt, ist zweifellos darin zu sehen, wie mit Widersachern und Minderheiten umgegangen wird. Zumindest in der Theorie. Im Gegensatz zur Herrschaft von Autokraten, Tyrannen oder Oligarchen, die mit Oppositionellen immer wieder gerne kurzen Prozess machten und sie den Fischen vorwarfen, appellierten die Geister der bürgerlichen Demokratie an einen respektvollen Umgang mit gegenteiligen Meinungen und anerkannten ihren Vertretern – unabhängig von ihren Standpunkten in essenziellen Fragen – die gleichen Rechte zu wie denen, die den offiziellen Kurs der Regierung vertreten. 

In Zeiten des Krieges ist vieles anders. Wenn auch nicht grundlegend. Denn dort entfällt das wohlig Feuilletonistische, was so manchen Diskurs untermalt, und es wird Klartext geredet. Und was als erstes verschwindet, wenn man sich schon einmal auf den Pfad der Barbarei begeben hat, ist das Zivilisatorische. Folglich ist jetzt, wo es wieder einmal um nichts geringeres als die Weltherrschaft geht, denn die Gefechte in der Ukraine sind eine museale Stelllvertretershow, die Zeit der Konzilianz vorbei und es wird zum Halali auf all jene geblasen, die nicht dem Narrativ von der armen, überfallenen Ukraine und dem symbolischen Kampf für die liberale Demokratie anhängen. Um vielleicht die Komik in diesen traurigen Zeiten zu bemühen, sei allen geraten, einmal das zu lesen, was vor zwei Jahren noch über die politischen Zustände in der Ukraine geschrieben wurde.  So schnell wird der Saulus zum Paulus.

Wer es sich noch ansehen will, bevor auch hier die Bodenhitze beträchtlich steigen wird, der sollte  sie sich ansehen, die von den staatlich geprüften Demagogen als die Führerinnen und Führer der freien Welt stündlich, rund um die Uhr, zitiert werden, um dem Populus die Welt zu erklären und um klarzustellen, wo der eigentliche Feind steht, auch im eigenen Land. Wenn man sie sich ansieht, wie hasserfüllt sie ihre blutrünstigen Tiraden von sich geben, wie sie daher schwadronieren von Träumern, die die Zeit nicht verstanden haben, von fünften Kolonnen, die im Namen des Erzfeindes hier ihr Unwesen treiben und dass nur eines zählt, nämlich die Vernichtung des Bösen, und zwar mit Waffen. 

Dass sie von Frieden keine Vorstellung haben, gehört zu ihrem personalen Portfolio. Denn wer geschichtslos, naiv und lediglich machtgeil durch das Dasein wabert, der kann nur dann vermeintlich erfolgreich sein, wenn er den Oligarchen, die nach Ressourcen und Macht lechzen und die sich mit dem Verkauf von Mordwerkzeug goldene Nasen verdienen, zu Kreuze kriecht und den tollen Hofhund spielt. 

Dass klassische Lobbyisten auch unter ihnen weilen, sollte nicht verwundern. Und dass eine Partei, die noch vor der Wahl zur Mäßigung in militärischen Konflikten aufrief, nun mit hochgezogenen Lefzen und ausgefahrenem Penis auf den Segen der Apokalypse setzt, sollte nicht verwundern. Etwas anderes bleibt ihnen nicht, denn sie haben hinsichtlich der menschlichen Zivilisation nichts mehr zu bieten. Und sie wittern, selbstverständlich ganz im Interesse ihrer Auftraggeber, dass, selbst wenn es zum heißen Showdown nicht kommt, zumindest der alte Morgenthau Plan auf den Tisch kommt und aus der Bestie Deutschland ein befriedeter biologisch-dynamischer Agrarstaat geformt werden könnte.

Einer der schönsten Momente von Krisen ist die Stunde der Demaskierung. Das ist der Augenblick, in dem sich alles hell und deutlich entfaltet. Genießen wir diese Stunden, egal wie schrecklich die Geschichte ausgehen wird.    

Im Bett der Barbarei

Wir sind wieder dort angekommen, wo alles anfing. Gemeint ist das Elend in der politischen Theorie und das Grauen in der Praxis. Wer sich zurücklehnt und sich das Grundrauschen der Begrifflichkeiten vor Augen führt, dem kommen automatisch solche Hieroglyphen wie Volk und Raum unter. Natürlich auch andere, wie die Zeit und die Beschaffenheit des Raumes, aber sie sind mit den ersten beiden assoziiert. Die Penetranz, mit der die Frage der Migration im Sinne einer Bedrohung gestellt wird, führt zu der Revitalisierung dessen, was den Holocaust und die Ostfeldzüge legitimierte. Das ist schlimm, noch schlimmer jedoch ist die Tatsache, dass das alles nahezu unbemerkt vonstatten gehen konnte. 

Nehmen wir Deutschland, immer etwas besonderes und immer archaisch im Sinne geringerer Zivilisation. Dort wird seit Jahren eine Diskussion um Migration geführt, die alles überschattet. Obwohl vieles das Land existenziell in weitaus gravierenderer Weise betrifft, wie z.B. die Lage in der Automobilindustrie, oder der schleichende Kauf von Know-How-Unternehmen durch chinesische Investoren, oder die Prekarisierung weiterer Teile der arbeitenden Bevölkerung, oder die kriminelle Steuerhinterziehung, oder der veraltete Zustand der Infrastruktur, oder die wachsende Dichotomie der Lebensverhältnisse in Stadt und Land, um nur einige zu nennen, wird der Anschein suggeriert, die Frage von Immigration sei die einzig dringliche und entscheidende. Und da sind die Themen der internationalen Verflechtung noch gar nicht erwähnt, wie die Frage nach der Osterweiterung der NATO und den damit riskierten militärischen Konflikten, die Rolle von NATO-Verbündeten wie der Türkei in Syrien, die Waffenexporte nach Saudi Arabien, die Müllexporte in alle Welt, die Vernichtung der EU durch platten Exportegoismus etc. etc.. Alle genannte Beispiele haben sowohl ökonomisch als auch zivilisatorisch eine weitaus größere Bedeutung, aber sie finden in der öffentlichen Debatte, inszeniert von regierungsnahen öffentlich finanzierten Medien, kaum statt. 

Die letzten Tage haben es wieder gezeigt: Nach zwei fremdenfeindlichen Übergriffen auf Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und einem Gewaltdelikt von angetrunkenen Immigranten wird in der politischen Auseinandersetzung exklusiv über das Thema Abschiebung geredet. Die beiden weitaus gravierenderen Übergriffe auf Immigranten werden ausgeklammert. Da schimmert ideologisch die Herrenrasse durch, die sich nicht alles bieten lassen kann, die sich jedoch auf der anderen Seite alles erlauben darf. Die Exkulpierung von Gewalttätern bei einer bestimmten Zielgruppe ist das Indiz, das gebraucht wird, um der hiesigen Entwicklung einen strammen Kurs auf eine erneute Barbarei zu attestieren.

Machen wir uns nichts vor: der viel besagte Sonderweg der Deutschen ist etwas, das sich vor allem in den Köpfen abspielt. Da ist selten von Zivilisation, aber viel von Kultur die Rede. Eine Kultur, die immer unscharf daher kommt und mystisch besetzt ist, und bei der die Grundprinzipien von Zivilisation nicht besetzt sind. Während von Willkommens- und Verabschiedungskultur geschwafelt wird, werden Immigranten angezündet und das ganze Land geht mehr und mehr den Bach herunter. 

Anscheinend sind die Mühen und Anstrengungen, die mit einer Zivilisation verbunden sind, und die den Rahmen bildet für die Entwicklung aller, zu groß und zu unbedeutend, als dass sie einen Wert an sich darstellte. Und anscheinend ist es immer noch zielführender, der eigenen Kultur, deren Raum enger wird, mit der Brechstange neue Schneisen zu schlagen. Wer jedoch an der Zivilisation scheitert, landet immer im Bett der Barbarei.